Kategorien
Soziale Arbeit

Kommission für Jugendfragen im Kanton Basel-Stadt

Planungsinstrument oder Alibi?

Der Grosse Rat, die Regierung und die in offene Kinder- und Jugendarbeit involvierten Fachstellen wie beispielsweise die Abteilung Jugend, Familie und Sport haben stets auf die Wichtigkeit der Kommission für Jugendfragen hingewiesen, welche auf dem Jugendhilfe­gesetz[1] gründet.  Wohl um die Wichtigkeit zu unterstreichen, wurde von der Verwaltung in neuerer Zeit an verschiedenen Stellen fälschlicherweise der Begriff „Fachkommission“ verwendet, was jedoch begrifflich für Verwirrung und für eine falsche Gewichtung in Richtung Expertentum sorgt. Dessen ungeachtet aber sind die Kernpunkte der Aufgabe unbestritten und breit abgestützt:

«Für die Steuerung der offenen Kinder- und Jugendarbeit sind die Erweiterung der Kompetenzen der Fachkommission für Jugendfragen Basel-Stadt prioritär: Die Fachkommission für Jugendfragen Basel-Stadt soll eine steuernde Rolle im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit übernehmen. Zur effektiveren Steuerung der offenen Kinder- und Jugendarbeit ist ein Instrument für den Ressourceneinsatz zu schaffen, Standards im Personalbereich sind festzulegen und mittels Subventionsverträgen, welche über längere Zeiträume abgeschlossen werden, die Planung und Finanzierung zu verbessern.»[2]

Ganz im Gegensatz zu den stetig wiederholten Absichtserklärungen sieht die Realität jedoch komplett anders aus. Im Jahr 2010 fanden lediglich zwei, im Jahr 2011 fand gar keine Sitzung der Jugendkommission statt. Erst am 14. Juni 2012 wurde die Kommission vom Vorsitzenden Regierungsrat Christoph Eymann erneut einberufen[3]. Trotz Nachfrage war es jedoch nicht möglich, Einsicht in die Traktandenliste zu erhalten. Die Herausgabe wurde vom ED verweigert mit dem Hinweis, dies würde die freie Meinungsbildung der Mitglieder beeinträchtigen. Da die Kommissionsmitglieder gleichzeitig zur Verschwiegenheit aufgefordert werden wird es unmöglich, beispielsweise über die Vertreter der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder des Jugendparlaments, die Themen zeitnah zu diskutieren und gezielt Anregungen einzubringen. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass sich die Kommission auch mit der Herausgabe der Protokolle reichlich Zeit lässt und diese nur auf Nachfrage zustellt, sofern sie (möglichst an der darauffolgenden Sitzung) genehmigt worden sind. Im konkreten Fall der Sitzung vom 14. Juni 2012 ist jedoch weder bekannt, wer an der Sitzung teilgenommen hat, noch, welche Themen traktandiert worden sind. Auch ein nächster Sitzungstermin ist nicht genannt. Die viel gepriesene Partizipation an der Ausgestaltung der offenen Kinder- und Jugendarbeit wird damit zur Makulatur und öffentliches Interesse im Keim erstickt. Dies mag mit auch ein Grund sein, warum sich die Vertreter des Jugendparlaments Basel-Stadt stets schwer mit ihrem Einsitz tun und kaum je richtig Fuss fassen konnten in dem nach aussen stark abgeschotteten Gremium, das verwaltungsorientiert wenig Interesse signalisiert, mit dem Bürger gleichberechtigt und auf derselben Augenhöhe zu kommunizieren.
Den inzwischen auf Verlangen und mit dem Hinweis auf das Öffentlichkeitsgesetz zugestellten Protokollen der Sitzungen der Jugendkommission vom 12. Februar und 18. Juni 2012 kann nur wenig konkrete Information entnommen werden. Wichtiger sind deshalb die Auslassungen. So wurde beispielsweise zu keinem Zeitpunkt die beabsichtigte Subventionsverteilung resp. der Ratschlag des Regierungsrates an den Grossen Rat für die Jahre 2012 bis und mit 2015 vorgestellt und diskutiert. Dasselbe gilt auch für den Evaluationsbericht zum Connect Café, auf Grund dessen möglicherweise das Subventionsverhältnis der Jahre 2010 und 2011[4] in der Höhe von CHF 296’000 nicht mehr fortgeführt wurde (7.2. Erneuerung des Subventionsvertrages: Grundlage für eine mögliche Verlängerung des Vertrags stellt eine noch zu erstellende Evaluation dar).
Interessant ist wohl in diesem Zusammenhang auch, dass der Evaluationsbericht Connect Café erst nach längerem Tauziehen durch das ED zum Preis von Franken 20.50 zugänglich gemacht worden ist, dies verbunden mit dem Hinweis, dass «der Bericht nicht integral veröffentlicht werden darf». Aus diesem Grund kann an dieser Stelle leider nur eine gekürzte Version eingesehen werden.[5]

Im Übrigen hätte die Verwaltung für die Zustellung der Evaluation Connect Café in elektronischer Form mit Franken 40.50 gerade mal 100% mehr Gebühren erhoben! Sie begründet dies, obwohl sie sich die Kosten für die zeitaufwendigeren Photokopien mitsamt den anfallenden Pro-Litteris-Gebühren spart, mit zusätzlichen Kosten für den Datenträger von zwanzig Franken. Bei einem Einkaufspreis einer Marken-CD von weniger als einen Franken lässt sich hier schon mal augenzwinkernd raten, ob es sich um vergoldete Medien handelt?
[1] Jugendhilfegesetz § 23.
Der Regierungsrat ernennt eine Kommission für Jugendfragen.
2 Sie berät die zuständigen Departemente insbesondere in Fragen der Organisation und Planung der kantonalen Jugendhilfe.
3 Die Kommission für Jugendfragen besteht aus einem Präsidenten und zehn weiteren Mitgliedern. Diese vertreten paritätisch die staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen.
[2] Vgl. Konzept OKJA 2006, S. 35 Bereich Steuerung u. S. 36 Erste Priorität
[3] Die aktuellen Mitglieder der Jugendkommission sind gemäss Staatskalender 2012 (Stand 15. Juni 2012):
Eymann Christoph, Dr. iur. (Regierungsrat und Präsident) , Blülle Stefan (Leiter Abteilung Kindes- und Jugendschutz AKJS), Burkhardt Beat, lic.iur. (Leitender Jugendanwalt der Staatsanwaltschaft), Fischer-Burri Irène (Gemeinderätin in Riehen), Flückiger Marc (Leiter Abteilung Jugend- und Familienförderung), Griss Christian, Dr. phil. (Leiter Sekundar­stufe I), Hanslin Andreas, lic. phil. (Geschäftsleitung Robi-Spiel-Aktion), Hennig George (Co-Geschäftsführer Basler Freizeitaktion BFA), Meier Renato (Geschäftsleitung der Familien-, Paar- und Erziehungsberatung fabe), Nidecker Christoph (Sozialdiakon, Gemeindekoordinator St. Markus, Kirchgemeinde Kleinbasel), Rediger Eva, Schumacher Zeno, Caflisch Jürg (Sekretär).
[4] Subventionsvertrag_Connect_Cafe_Basel_2010-2011
[5] Evaluation Connect Cafe 2010 – Gekürzte Version mit Schlussfolgerungen

 

Die gekürzte Schlussfolgerung wurde am 24. Sept. 2012, 18:15 Uhr vom Autor vom Netz genommen. Wer den ungeschwärzten Bericht für wissenschaftliche Arbeiten nutzen möchte, kann diesen beim Erziehungsdepartment gegen eine Gebühr von 20.50 Franken auf Papier oder Franken 40.50 in digitalisierter Form (Gebührenverordnung!) direkt anfordern.

Am 02. November 2012 hat das Erziehungsdepartement dem Autor folgende geschwärzte Evaluation Connect Café zugestellt:
Evaluation Connect Café Teil (geschwärzt)
Zusammenzug der Schwärzungen an der Evaluation Connect Café mit der jeweiligen Begründung des Erziehungsdepartements Basel-Stadt vom 02.11.2012
Kommentar: Aufgrund der vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt gestellten Bedingungen können vom Autor die geschwärzten Textstellen nicht mit dem Original verglichen und somit kann nicht beurteilt werden, ob die jeweils angeführten Gesetzesartikel aus dem IDG resp. dem IDV zu Recht Anwendung finden. Sicher aber ist, dass das IDG nicht dazu missbraucht werden darf, unliebsame Fakten und Erkenntnisse der Evaluation zu schwärzen.
Allein der Umstand, dass das Kapitel 4.3 fast vollständig geschwärzt wurde (Punkte 4.3.1, 4.3.2 und 4.3.4), lässt die Vermutung aufkommen, dass aber genau dies geschehen ist. Im Kapitel 4.3 schreiben die Autoren Oliver Steiner und Andreas Theisen-Menn von der Fachhochschule Nordwestschweiz, dass die Hälfte der Subventionsgelder an das Connect Café ohne Rücksprache mit dem Subventionsgeber an den Verein Info-Click weitergegeben worden sind. Der Subventionsbetrag an das Connect Café betrug gemäss offiziellen Zahlen für die Jahre 2010 und 2011 CHF 296’000. Die an den Verein Info-Click weitergegebenen Gelder belaufen sich demnach entsprechend den Aussagen der Verfasser auf ca. 148’000 Franken.
Das ED macht als Grund für die Einschwärzung des Kapitels 4.3. § 29 Abs 2 lit d IDG in Verbindung mit § 20 Abs 1 lit e IDV geltend. Doch § 20 des IDV kann aus Sicht des Autors nicht zutreffen, da das Dokument nirgendwo als ‹vertraulich› klassifiziert wurde, was jedoch Voraussetzung wäre, dass lit e zur Anwendung käme.
Auch die Anwendung des § 29 IDG setzt eine ‹besondere gesetzliche Geheimhaltungspflicht oder ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse› voraus, was ebenfalls nicht zutreffend scheint, da es sich um ein öffentliches Subventionsverhältnis zwischen der Verwaltung und einem Verein handelt, der Aufgaben im öffentlichen Interesse – in diesem Fall basierend auf dem Jugendhilfegesetz – übernimmt.
Unter Punkt 4.3.3. schwärzt das ED zudem die Angabe über die Höhe des ausserordentlichen Mietaufwands des Vereins Connect Café. Dass sich der Mietaufwand auf über CHF 50’000 belief, ist im Bereich Offene Kinder- und Jugendarbeit allgemein bekannt. Das Erziehungsdepartement hat spätestens mit Abschluss des Subventionsvertrages die Höhe des Mietaufwands gebilligt, da von den Trägern vorgängig ein Budget einzureichen ist. Demzufolge kann das ED aus Sicht des Autors auch nicht anführen, die nachträgliche Bekanntgabe von etwas ohnehin schon Bekanntem würde ‹die Position in Verhandlungen beeinträchtigen›.
Unter selbiger Argumentation ist auch die Schwärzung auf Seite 40 unter Empfehlungen nicht nachvollziehbar: ‹Differenzierung der Rechnungslegung in Bezug auf Leistungen, [geschwärzt];› Hier wird ein ganzer Sachverhalt verschleiert. Es handelt sich dabei konkret um die Empfehlung, dass bezüglich der an Info-Click weitergegebenen Gelder in der Höhe von CHF 148’000 deren Verwendung nachzuweisen wäre.
Gesetz über die Information und den Datenschutz (Informations- und Datenschutzgesetz, IDG)
§ 1. Gegenstand und Zweck
1 Dieses Gesetz regelt den Umgang der öffentlichen Organe mit Informationen.
2 Es bezweckt,
a) das Handeln der öffentlichen Organe transparent zu gestalten und damit die freie Meinungsbildung und die Wahrnehmung der demokratischen Rechte zu fördern, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen, und
b) die Grundrechte von Personen zu schützen, über welche die öffentlichen Organe Personendaten bearbeiten.

Autor: Marcel Borer

 

Eine Antwort auf „Kommission für Jugendfragen im Kanton Basel-Stadt“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert