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Soziale Arbeit

Jugendarbeit ein Dschungel,dem nicht beizukommen ist?

Konkreten Anlass zur kritischen Auseinandersetzung bot der vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt im Januar 2011 veröffentlichte Bericht zur Planung «Offene Kinder- und Jugendarbeit». Veranwortlich für die Publikation zeichnet der Bereich Jugend, Familie und Sport unter der Leitung von Hansjörg Lüking, als Autor Marco Riesch, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Jugend- und Familienförderung. Wie im Kapitel «Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse» zu lesen ist, erhebt der Bericht mit den von Februar bis August 2010 gesammelten Daten den Anspruch einer um­fassenden Wissensbasis zur Situation der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Kanton Basel-Stadt.

Wer den Bericht liest, sieht sich mit einem unstrukturierten und unvollständigen Inhalt konfrontiert, der die geweckten Erwartungen nicht ansatzweise erfüllen kann. Riesch vertröstet dann darin auch gleich selbst: «Eine Bestandsaufnahme […] ist eine sehr schwierige, wenn nicht unlösbare Aufgabe […], weil es kein Instrument gibt, mit welchem alle Angebote erfasst werden können». Und er bezeichnet private Initiativen als «Dschungel, dem statistisch nicht beizukommen ist». Im Herbst 2011 wollen dann – nachdem der Bericht von verschiedenen Seiten heftig kritisiert worden war – der Bereichsleitende Lüking und sein Abteilungsleiter Flückiger wiederholt nur noch von einem «provisorischen» Planungsbericht sprechen, dem ohnehin keine Relevanz zukomme, da er «noch keine Implikationen auf die Zuteilung von finanziellen Mitteln in der Leistungsperiode 2012 bis 2015 habe» und die Subventionsverträge mit den privaten Trägern der Kinder- und Jugendarbeit erst ab 2014 nach neuen Kriterien (welche?) zu verhandeln seien.
Zur Zielerreichung werden im Bericht ausschliesslich die Kinder und Jugendlichen sowie die leistungserbringenden Institutionen genannt, nicht aber die Erziehungs­­ver­­ant­wortlichen und privaten Initiatoren. Typisch wohl auch hier die Antwort von Riesch, dass «Eltern keine Zielgruppe der offenen Kinder- und Jugendarbeit sind, da nicht deren, sondern die Interessen der Kinder und Jugendlichen ermittelt werden sollen».
Offen bleibt, warum die Abteilung Jugend- und Familienförderung die Anliegen von Eltern und deren private Initiativen (gerade auch im Hinblick auf die angestrebte sozialräumliche Orientierung) nicht konsequenter fördert und die Empfehlungen aus dem vom damaligen Regierungsrat Hans Martin Tschudi 1999 in Auftrag gegeben «Bericht zur offenen Kinder- und Jugendarbeit» wie auch die von der Jugendkommission 1997 verabschiedeten «Jugendpolitische Leitziele» (und 2006 öffentlich diskutiert, u.a. mit der Nationalrätin Maya Graf und Regierungsrat Guy Morin) vollständig ignoriert.
Es steht zu befürchten, dass sich diese Verwaltungsabteilung mit ihren erheblichen finanziellen Subventionsmitteln abzuschotten versucht, d.h. die Partner nach eigenem Gutdünken ausliest und damit Distanz zur Bevölkerung schafft.

Über die Kostenentwicklung der im Bericht avisierten neuen Akzente im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit erfährt der Leser nichts. Letztere sind jedoch im Hinblick auf den mehrfach hervorgehobenen sozialräumlichen Ansatz von entscheidender Bedeutung. Riesch hält dazu fest: «Das grösste Handicap […] ist im ausserordentlichen zeitlichen und personellen Aufwand zu sehen, welcher zur Umsetzung erforderlich ist.» Damit kommt der Planungsbericht nicht über eine Absichtserklärung hinaus. Ohne Aufschlüsselung der zu erwartenden Folgekosten ist der Planungsbericht nur Stückwerk und praktisch nicht brauchbar.

Völlig unverständlich ist die auf inhaltliches Nachfragen zum Bericht im Juli 2011 von Lüking erhaltene E-Mail:  «In einem parallelen Prozess, der nicht vom Planungsbericht präjudiziert werden soll, gehen wir […] der Frage nach, ob und in welche Richtung das bisherige Steuerungsmodell entwickelt werden soll und wer in unserer Partnerschaft in welchem Umfang Verantwortung für die Umsetzung der Inhalte übernimmt.»

Die Frage ist nur: Gibt es überhaupt ein Steuerungsmodell – und wenn ja, nach welchen Kriterien wird gesteuert? Solche Fragen bleiben weiterhin unbeantwortet.

Möglicherweise ist inzwischen bereits wieder vergessen, dass die selbe Planungs­abteilung basierend auf dem Auftrag des Grossen dem Regierungsrat 2006 vorgeschlagen hatte:

«Die Fachkommission für Jugendfragen Basel-Stadt soll eine steuernde Rolle […] übernehmen, entsprechende Kompetenzen erhalten und entsprechend besetzt werden.»

 

Autor: Marcel Borer

 

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